Nothing kills you like your past

- Sicht Emilia

Niemals hätte ich gedacht, dass ich das hier tun würde. Unglaublich grausam, würde jeder sagen. Aber nichts passiert ohne Grund. Ich blicke aus dem Fenster quer über die Straße und eine ältere Dame, die gerade ihren Vorgarten herrichtet, winkt mir fröhlich zu. Genau wie damals. Damals, vor genau 10 Jahren. Mrs Wilson auf der anderen Straßenseite winkte mir zu, während ich gerade dabei war, die Haustür zuzuschließen um mich auf den Weg zu meiner besten Freundin Heather zu machen. Das Wetter hätte wirklich nicht schöner sein können und es schien alles so friedlich, dass man hätte meinen könnte, man wäre in einem Film gelandet. Doch wie so oft trog der Schein. Blickte man hinter die Fassade des kleinen Reihenhauses mit der Nummer 23, sah man eine wutentbrannte erwachsene Frau, die wild mit den Händen gestikulierte. Und daneben einen Mann, der cholerisch versuchte, gegen die Stimme der Frau anzukommen. Ja, ich weiß, das war nun vielleicht nicht der beste Anfang, um meine Eltern zu beschreiben, doch dass diese Ehe nicht sehr stabil war, hätte man sowieso direkt bemerkt. Nur ein paar Häuser weiter wohnte Heather, also war ich schnell bei ihr. „Hey Heather!“, rief ich, als ich sie an der Haustür erblickte. Sie drehte sich um und lächelte. „Hey na, was gibts? Du bist heute echt früh dran.“ Seufzend warf ich einen Blick über meine Schulter nach hinten, Richtung Hausnummer 23. „Du weißt schon, Mom und Dad streiten sich schon wieder. Deswegen wollte ich so schnell wie möglich aus dem Haus.“ Als Antwort bekam ich einen verständnisvollen Blick und eine Umarmung, dann grinste Heather. „Und da findest du Schule besser?“ Ein hoffnungsloses Lächeln erschien auf meinen Lippen, während ich einen Fuß vor den anderen setzte. Von der Ferne konnte man schon das Schild der „St. Augustine Highschool“ sehen, als ein schwarzes Cabrio mit lauter Musik an uns vorbei raste und kurz nach uns stehen blieb. Heather und ich wussten natürlich sofort, wer das war, aber hätten wir es nicht gewusst, hätten wir es an ihren penetranten Stimmen erkannt. „Na, ihr Loser?“, spottete Madison Brooks. Ihre ältere Schwester Hailey begann zu kichern, doch dessen Freundin Lucia stieß ihr ihren Ellbogen in die Rippen. „Das ist die Schwester von Nathaniel! Glaube ich zumindest…“ Noch bevor ich diese Aussage bestätigen konnte, kam ein fragendes „Nathaniel?“ aus Haileys Mund. „Der dufte Typ aus Psychologie, du Idiotin.“ Sie rollte mit den Augen. Dufte? Lucia fand meinen Bruder süß? Ich meine, nicht, dass ich ihn nicht toll fand, aber wir sprachen hier von Lucia. Sie war das beliebteste Mädchen der ganzen Schule und Nate - so nannte ich ihn - war für die meisten wahrscheinlich unsichtbar.

Auf jeder Party war sie der Star, und wenn dies doch mal nicht der Fall war, oder sie nicht auf einer Party war, war das keine coole Party. Solche ungeschriebenen Regeln der Highschool interessierten Nate nicht, und da war ich auch froh drüber. Er war wie ich, ich wie er, und wir konnten immer über alles reden. „Oh mein Gott, das ist mein Lieblingssong, dreh mal auf, Hailey“, befahl Madison ihrer Schwester, die daraufhin „Like a Virgin“ von Madonna laut laufen ließ. Sie warf ihre lange, voluminöse Dauerwelle nach hinten. Ein kurzer Augenkontakt zwischen Lucia und mir, dann sah ich nur noch das Heck des schicken schwarzen Cabrios und die Haare der Mädchen, wie sie im Fahrtwind hin und her wehten. Es war bereits nach dem Unterricht, als ich Nate zum ersten Mal an diesem Tag sah, denn er war morgens schon vor mir aus dem Haus gegangen und es war wirklich kein Wunder dass ich ihn bei der Größe der Highschool noch nicht entdeckt hatte. Ein breites Grinsen formte sich auf seinen Lippen als er mich aus der Weite sah. Überglücklich, ihn zu sehen, lief ich auf ihn zu und umarmte ihn. „Na, wie war dein erster Tag an einer Highschool?“ Ich zögerte kurz, ihm die Wahrheit zu erzählen, doch da wir uns sowieso immer alles erzählten, begann ich zu reden. Von der ersten Begegnung mit den „beliebten“ Mädchen, meiner grauenhaften Mathelehrerin und wie ich im Korridor stolperte und mich alle Anwesenden auslachten. Mein Bruder legte verständnisvoll seinen Arm um mich und versuchte, mich aufzumuntern. „Das wird schon. Aller Anfang ist schwer.“ Er bemerkte, dass ich meine Augen verdrehte. „Ich weiß, dass du das jetzt nicht hören willst, aber es kann nur besser werden. Und es wird auch besser. Die Schule besteht ja schließlich nicht nur aus fiesen Menschen.“ Anschließend zählte er ein paar seiner besten Freunde auf, um mir ein paar Beispiele zu nennen. Er hatte Recht, und trotzdem trottete ich enttäuscht in mein Zimmer, als wir zuhause angelangt waren. Ein paar Wochen später hatte ich immer noch keine richtigen Freunde gefunden. Aber immerhin hatte ich Heather, obwohl ich mir auch wegen ihr Sorgen machte. Ich bekam immer mehr das Gefühl, dass die anderen mich nur wegen ihr akzeptierten. Nein, sie mochten mich nicht. Aber sie akzeptierten mich. Weil sie Heather mochten. Irgendwie verstand ich das auch und konnte es nachvollziehen, denn Heather war schon immer die Extrovertiertere von uns beiden gewesen; und die meisten Schüler hatten nun mal lieber etwas mit Leuten zu tun, die viel reden und immer auf Partys erschienen. Dabei hatte ich das Gefühl, dass die anderen mich gar nicht kennenlernen wollten. Gar nicht versuchen wollten, mit mir zu reden. Was hatte ich nur falsch gemacht? Erst kämpfte ich noch gegen meine Selbstzweifel an, dann jedoch nahmen sie überhand, bis sich mein gesamtes Leben nur noch darum drehte, wie meine Mitmenschen mich wahrnahmen und was sie wohl über mich dachten und sagten.

Und trotzdem wollte niemand etwas mit mir zu tun haben. Wirklich niemand? Hektisch öffnete ich meine Augen, als ich meinen Namen hörte. Mrs Miyers legte ihren Kopf in den Nacken und gab einen genervten und gleichseitig enttäuschten Klang von sich, als sie bemerkte, dass ich ihr nicht zugehört hatte und somit auch nicht beantworten konnte, wessen Bestandteil ein Oxonium-Ion ist. Ich war einfach so müde von letzter Nacht, dass ich im Chemie-Unterricht eingeschlafen war. Dazu kam, dass ich selbst auf meine einstigen Lieblingsfächer keine Lust mehr hatte. Um ehrlich zu sein, hatte ich auf gar nichts mehr Lust. Meine einzige Motivation, überhaupt etwas zu tun und gewissermaßen produktiv zu sein, war, Heather für mich zurückzugewinnen. Sie verbrachte immer mehr Zeit mit Madison und co., was mich auch nicht gestört hätte (okay, vielleicht doch), wenn sie dafür noch etwas mit mir gemacht hätte. Jedes Mal wenn ich sie anrief, erwartete mich eine kurze und knappe Erklärung, wieso wir uns nicht treffen konnten. „Aber…“, erwiderte ich daraufhin, doch sie wurde gereizt und legte meist auf. Ich hätte merken sollen, dass diese Freundschaft nicht mehr lebendig umherhüpfte, sondern schon längst ihre Ruhe zwei Meter tief unter der Erde gefunden hatte. Diesen Einwand hatte auch Nate, jedoch verstand ich erst später, wieso er mich nicht mit allen Mitteln davon abhielt, an Heather zu hängen. Vielleicht dachte er, dann wäre ich wenigstens nicht ganz alleine. Zurück zum Highschool-Alltag. Als es endlich zur Pause schellte, stellte sich Heather direkt zu Madison, Hailey und Lucia und wich jedem meiner fragenden Blicke aus. Eine winzige Träne, die über meine Wange rollte, wischte ich schnell weg, dann stampfte ich wütend und traurig zugleich zu ihnen. Ich schluckte meine Unzufriedenheit runter und fragte, ob sich jemand den neuen Film heute Abend im Kino anschauen wollen würde. Meine Frage wurde nicht beachtet und die Mädchen tratschten schamlos weiter. Nach einer Weile ging Nate an der Gruppe vorbei und ich entschied, mich ihm anzuschließen. Wie immer munterte er mich wieder auf, sodass ich für einen kurzen Moment all meine Unsicherheiten und Sorgen vergaß. Doch das hielt nur bis zu dem Zeitpunkt an, an dem ich aus der Ferne Lucia auf uns zulaufen sah. Allein durch ihre nur so vor Arroganz sprühende Aura, die sie umgab, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. „Oh hi Nathaniel, wie gehts?“, sagte sie und zwirbelte lasziv eine Haarsträhne um ihren Finger. „Du kannst mich auch Nate nennen“, antwortete mein Bruder verlegen. Ich konnte meinen Augen kaum glauben, dass mein Bruder sich tatsächlich auf dieses unmenschliche Biest im neonpinken Glitzeroberteil einließ. Als ich dachte, es könnte nicht schlimmer werden, fragte sie ihn, ob er mit ihr in den neuen Kinofilm `Flashdance´ gehen würde.

 

Das Erschreckende daran war nicht, dass ich ihr genau diese Frage vor einigen Minuten gestellt hatte, sondern dass Nate sie bejahte. Fassungslos musste ich mit ansehen, wie mein Leben mit Vollgas Richtung Desaster fuhr. Ich verstand wirklich nicht, weshalb Nate sich in Lucia verliebte, und warf es ihm auch ständig vor. Wahrhaftig oft versuchte ich, mit ihm zu reden und ihm das auszureden, doch natürlich gelang es mir nicht. „Nate, warte!“, rief ich ihm zu, als er eines Nachmittags das Haus verlassen wollte, um sich mit Lucia zu treffen.

Er nahm seine Kopfhörer ab und sah mich an. „Was ist?“ „Triffst du dich wieder mit Lucia?“ „Ja, was dagegen?“, antwortete er sichtlich genervt, „Ich hoffe du kommst mir jetzt nicht wieder mit einer Moralpredigt darüber, was für ein schlechter Mensch sie ist.“ „Nein… also, ja…ich weiß nicht. Aber schau doch mal, früher hast du selbst immer gesagt, dass diese Menschen keine wahren Freunde sind!“ Ich merkte zwar selbst, dass ich mich vollkommen nervig anhörte, aber trotzdem wollte ich auf jeden Fall verhindern, dass er sich zu sehr an sie band. Das hätte bedeutet, dass ich die einzige Person, mit der ich über wirklich alles reden und der ich mich anvertrauen konnte, verloren hätte. Na ja, ich hatte ja noch Heather, aber diese Option war bereits kaum mehr vorhanden. „Emilia“, sagte er langsam und deutlich, „Bitte hör auf, dich wie eine überfürsorgliche Mutter aufzuführen! Ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden, wer gut für mich ist - und wer nicht! Und ich weiß, dass du es mir eh nicht glauben wirst, aber sie ist wirklich ein guter Mensch.“ Seufzend nickte ich und Nate schob sich seine Kopfhörer wieder über die Ohren und verließ zügig den Vorgarten. Auch wenn ich versuchte, ihn gehen zu lassen, verfolgten meine Augen ihn noch so lange, bis er am Horizont verschwand. Ich hätte mich nicht so sehr um ihn kümmern sollen, sondern mehr um meine eigenen Probleme. Oder hätte ich besser auf ihn aufpassen sollen? Nun ja, damals wusste ich ja nicht, was noch geschehen würde. Ich lege eine andere CD in den CD-Player und gerade als ich die Hülle in das Regal zurückstellen will, fällt ein altes Polaroidfoto aus dem Album. „The Works“ von Queen. Das hörten Heather und ich immer. Passend dazu sind wir beide auf dem Foto zu sehen. Ich erinnere mich zurück… Ich wählte Heathers Telefonnummer ins Drehscheibentelefon ein und wartete darauf, dass sie abnahm. Ich fühlte mich schrecklich einsam und sie war die einzige Hoffnung darauf, dass ich mich vielleicht ein kleines bisschen besser fühlen würde. Einerseits hatte ich gar nicht mehr das Gefühl, irgendeinen Bezug zu ihr zu haben, andererseits war sie doch meine beste Freundin, oder nicht? Wir waren einmal unzertrennlich gewesen, machten alles zusammen. Nicht, dass es mich störte, dass sie ihre Zeit auch mit anderen Leuten verbrachte, ich spürte nur, wie ungewünscht ich war, immer wenn ich bei ihr war. Sie ging nicht dran.

Aus Frust hätte ich das Telefon beinahe auf den Boden geschleudert. Nate war immer noch mit Lucia zusammen und um ehrlich zu sein, war es mir mittlerweile relativ gleichgültig, denn er sah immer so glücklich aus. Und wie er mir versprochen hatte, verbrachte er immer noch Abende mit mir am Strand und wir lachten miteinander genauso wie vorher auch. Ich war so gewohnt, dass er bei mir war, dass ich gar nicht bemerkte, wie froh ich darüber war. Eines Nachts wachte ich auf, als ich dumpfe Laute aus Nates Zimmer hörte. Auch wenn ich nicht hören konnte, wovon er so laut sprach, konnte man sichtlich erkennen, dass er aufgebracht war. Und das passierte nicht oft. Er war immer so ruhig und im Reinen mit sich selbst, dass man meinen könnte, er wäre nicht ganz bei der Sache - doch das war er. Er beobachtete und observierte nur viel. Deswegen war ich auch so überrascht, als ich mitbekam, wie er so wütend war, dass ich beschloss, heimlich vor seine Tür zu schleichen. Die alten Holzdielen knarrten und ich stoppte, damit er nichts von mir mitbekam. „Wie bitte? Du warst mit ihm im Kino? Ich… ich glaub´ das nicht!“ Plötzlich wurde er ruhig. Offensichtlich telefonierte er mit Lucia. Tausend Gedanken rasten durch meinen Kopf und ich hoffte, dass er ihr das nicht verzeihen würde. Ja, ich war selbst enttäuscht von mir, dass ich froh über das Geschehen war, aber endlich hatte ich Recht. Lucia war nicht gut für ihn - und ich hatte es gewusst. Das hätte mich wirklich nicht erfreuen sollen. Doch genau das tat es. Ich lehnte mich noch mehr an die Tür, um besser heraushören zu können, wie Nate reagierte. „Wieso hast du das getan? Weißt du überhaupt annähernd, wie sehr mich das verletzt?“, sagte er traurig. Schlagartig fühlte ich mich schlecht und eine Welle des Mitgefühls überschwemmte meine Gedankenwelt. Ein hoffnungsloses Seufzen entkam dem Zimmer und ich wunderte mich, dass Mum und Dad davon noch nichts mitbekommen hatten. Ich blieb bis das Gespräch beendet war und bekam noch einige weitere traurige und vor Erschütterung triefende Antworten und Fragen von meinem Bruder mit. Ich überlegte, ob ich ihm Gesellschaft und Trost leisten sollte, doch entschloss mich dagegen, denn wenn er erfuhr, dass ich ihn heimlich belauscht hatte, wäre er sicherlich noch schlechter drauf gewesen.

Am nächsten Tag sah er wirklich nicht gut aus. Tiefe Augenringe, die unter den verheulten Augen lagen und kein einziges Mal sah ich, dass er lächelte. Das war echt ungewöhnlich für ihn. Ich versuchte so oft es nur ging, ihn aufzuheitern, doch es brachte rein gar nichts. Und so ging das die ganzen nächsten Tage lang. Er verschloss sich immer mehr, die einzige Person, der er sich gegenüber etwas öffnete, war eigentlich ich. Unsere Eltern machten sich enorme Sorgen - zurecht. Anders als sonst verbrachte er den ganzen Tag in seinem Zimmer, nicht mal zum Baseball-Training ging er.

Und das alles, weil Lucia mit ihm Schluss gemacht hatte, nachdem sie drei Wochen lang schon mit einem anderen Typen zusammen gewesen war. Was eine… Allerdings war ich nicht überrascht, als er mir davon erzählte. Mir war von Anfang an klar gewesen, was für eine Person sie war. Und dass sie der Anfang vom gesamten Desaster war.

Meine Versuche, Nate irgendwie glücklich zu machen und ihn aus seinem Zimmer rauszukriegen blieben alle ohne Erfolg, was mich sehr stark beunruhigte. Ich konnte es nicht aushalten, ihn so am Boden zu sehen.

„Nate! Hast du Bock später mit zum Stadtfest zu kommen?“, fragte ich ihn, in voller Hoffnung, dass er mal selbstständig aus seinem Zimmer kam. Doch er schüttelte nur Anteilnahme los seinen Kopf. Ein paar Sekunden später fragte er, wo sich unser Vater gerade aufhielt. „Äh… weißt du doch, beim Schießen“, antwortete ich. Hatte er sein Gedächtnis etwa auch verloren? Jeden Freitagnachmittag ging unser Vater mit ein paar Freunden und Arbeitskollegen zum Schießen. Ich hasste das abgrundtief. Nathaniel eigentlich auch, aber er versuchte nie, ihn davon abzubringen. Anders als ich. Es gibt so viele verschiedene Hobbys, und so viele hier in St. Augustine suchen sich etwas wirklich Gefährliches aus? Richtige Waffen, die töten können? Ich hatte das noch nie verstanden und verstehe es immer noch nicht ganz. Jedenfalls hörte Dad natürlich nicht auf mich und verfolgte sein Hobby weiter. An jenem Abend fand am Marktplatz das jährliche Stadtfest statt, und weil Heather auch dorthin

gehen würde, ging ich dorthin. Zwar hatten wir kaum mehr Kontakt, aber ich erhoffte mir immer noch, dass sie erkannte, wen sie angeblich als neue Freunde hatte und wieder etwas mit mir machen würde. Außerdem verlangten meine Eltern, dass ich sie begleiten sollte. Das tat ich auch. Mittlerweile hasste ich solche Stadtfeste, sie waren todlangweilig und den Großteil der Menschen dort konnte ich eh nicht leiden. Deshalb entschloss ich auch, früher nach Hause zu gehen. Hätte ich unser Haus doch bloß gar nicht erst verlassen. Erschöpft stieß ich die schwere Haustür auf und rief: „Bin wieder zuhause! Es war wie immer - absoluter Mist“ um Nate klar zu machen, dass ich wieder zu Hause war. Doch mich erwartete kein Nate in der Küche und eine Antwort bekam ich auch nicht. „Schläft er etwa schon?“, murmelte ich mir selbst zu und begab mich in sein Zimmer, wo er jedoch auch nicht zu finden war. Langsam wurde mir mulmig im Bauch. Klar, es war nichts Schlimmes wenn er nicht sofort aufzufinden war, immerhin war er schon 17, aber mein Gefühl verschlimmerte sich bei dem Gedanken daran, dass er ziemlich depressiv war. In letzter Zeit machte ich mir schon genug Sorgen um ihn. Trotzdem redete ich mir selbst ein, dass alles gut war. „Was soll schon passiert sein“, dachte ich. Er war wahrscheinlich im Keller und suchte dort etwas. Das wird es gewesen sein.

Zügig öffnete ich die Tür, die zum Keller führte und hörte das Öffnen einiger Schränke und einige Schritte. „Ach, hier steckst du also!“, sagte ich etwas lauter, damit mein Bruder mich auch hören konnte. Auf einmal merkte ich, dass die Geräusche aus der Ecke des Waffenschranks kamen. Panisch, da ich keine Antwort bekam, rannte ich dorthin und gerade als ich um die Ecke bog sah ich meinen Bruder. Der Colt in seiner rechten Hand und wenige Tränen in den Augen. „Natha…!“ Noch bevor ich seinen Namen zu Ende schreien konnte, drückte er den Abzug und fiel zu Boden. Starke Übelkeit überkam mich und ich kippte zur Seite, doch konnte mich gerade rechtzeitig noch an der Wand festhalten. „Nein! Nein! Stop!“, schrie ich so laut ich nur konnte und rannte panisch zu ihm. Seinen Kopf in der einen Hand, die Einschusswunde haltend, und seine Hand in der anderen Hand, versuchte ich mit aller Kraft, ihn am Leben zu behalten. Schreie füllten den Raum und dazwischen hoffnungslose Versuche, mit ihm zu sprechen. Er blinzelte nur noch ein einziges Mal und Tränen schossen mir ins Gesicht. Meine Gesichtszüge verzogen sich krampfhaft. Es war nicht auszuhalten. Ich wolle es nicht glauben. Nein, ich konnte es nicht glauben. Es fühlte sich so an, als wäre es auch mein Leben, das gerade in tausend Scherben zerbrach. Ich rannte die Treppe hoch zum Telefon und wählte den Notruf, dann rief ich meine Eltern an. Den eigenen Sohn zu verlieren ist grausam. Und ich spürte, wie Trauer und Wut sich in mein Herz fraßen und eine nicht auszuhaltende Leere hinterließen. Ich wische mir eine Träne aus dem Gesicht. Nachdem ich die erste Phase des Schocks und der Trauer überwunden hatte, folgte Wut und auch Selbsthass. Ich hätte besser auf ihn aufpassen und ihn vor diesem Monster namens Lucia schützen sollen. Andererseits hatte ich mein Bestes gegeben und konnte ihm ja auch nicht vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hatte. Das Einzige, was mich damals aus der Trauer befreien konnte, war nicht meine ehemalige beste Freundin Heather; sondern eine Brieffreundin, dessen Namen sie immer geheim hielt. Wir schrieben uns ständig und bald wusste sie alles über mich - und Lucia.

Dieser Hass auf Lucia schnürt mir die Kehle zu und ich tue mich schwer, darüber hinweg zu sehen. Ich meine - wie auch?! Wie soll man über so ein Verhalten hinweg sehen? Nach Nates Selbstmord hat sie nichtmals ein Wort über ihn verloren. Trauerte sie überhaupt? Ich bin ziemlich sicher, dass sie es nicht tut oder jemals getan hat. Dieses kaltblütige Biest empfindet nichts. Rein gar nichts. Ich stelle den CD-Player aus und begebe mich in die Küche, die bei meiner kleinen Wohnung direkt ins Wohnzimmer übergeht. Ich plumpse auf mein grau-gemustertes Sofa und greife nach der Fernbedienung um den kleinen Fernseher anzuschalten. Das neonfarbene Logo von MTV und anschließend eine singende Mariah Carey flimmern auf. Plötzlich klingelt es an der Haustür.

Ächzend und nur wenig motiviert stehe ich auf und schleppe mich zur Tür. Doch da ist niemand. „Wie nervig“, raune ich und gucke mich um, ob zu sehen ob sich nicht doch jemand hier herum treibt. Da fällt mein Blick auf einen kleinen zerknitterten Briefumschlag, der vor mir auf der Fußmatte liegt. Ich hebe ihn neugierig auf und schließe die Tür hinter mir, nur um mich dann an sie zu lehnen und den Umschlag zu öffnen. Ein Brief. Aber kein Versender. Nur meine Adresse. Merkwürdig, nicht?

 

Hallo,

 

Du weißt zwar nicht, wer ich bin, aber ich weiß ganz genau wer du bist. Du fragst dich vermutlich wieso du solch einen Brief erhältst, doch es gibt einen genauen Grund dafür. Ich habe dir vor einigen Jahren geholfen und nun wirst du mir helfen. Die Angelegenheit sollte aber auch dich interessieren dürfen. Es geht um Lucia Anderson. Ja, genau die Lucia, die der Grund für deine unendliche Trauer damals war. Jetzt meine Bitte: Du wirst sie umbringen. Falls du nun mit dem Gedanken spielst, dies nicht zu tun, möchte ich dich wissen lassen, dass du keine andere Wahl hast. Sonst wird dein Leben eine grausame Wendung annehmen. Es ist alles perfekt durchgeplant; du wirst am Freitag um 22.20 Uhr ihr Haus betreten und die Tat vollenden. Im Umschlag befindet sich zusätzlich ein Schlüssel zu ihrem Haus. Die Adresse ist 41 St. George Street, St. Augustine, 32084 Florida. Wie du es anstellst, ist mir sowas von egal, Hauptsache du ziehst es durch. Und denk daran, sie hat es verdient.

 

Viele Grüße

 

Anonym

 

Ich kann meinen Augen nicht trauen. „Das kann nicht wahr sein“, sage ich zu mir selbst und schütte dann den Schlüssel aus dem Briefumschlag. Ist das, was ich da gerade gelesen hatte, wirklich wahr? Nein, das muss ein Scherz sein. Ein ziemlich geschmacksloser Scherz. Aber wenn es ein Scherz wäre, woher weiß diese anonyme Person dann meine Adresse und von meiner Vergangenheit mit Lucia? Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Was soll ich denn nun machen? Ratlos blicke ich an den Kalender, der an der Wand hängt. Freitag. Heute ist es Montag. Klar hätte Lucia es verdient… irgendwie. Trotzdem - ich kann doch niemanden umbringen. Vielleicht ist diese anonyme Person auch ein Stalker… Besorgt ziehe ich die bunten Vorhänge zu und versuche vernünftig zu überlegen, was ich nun tun soll. Ich könnte zwar niemals jemanden umbringen, aber um ehrlich zu sein fände ich es gar nicht so dramatisch, eine falsche Schlange wie Lucia weniger auf dieser Welt. Ich habe oft überlegt, wie ich an ihr Rache nehmen könnte, doch habe bis jetzt keinen Plan. Oder doch? Die nächsten Tage vergehen unangenehm langsam, denn ich muss die ganze Zeit an diesen Brief denken. Ich zerbreche mir den Kopf über die Entscheidung, ob ich diese Tat vollenden soll oder nicht - und damit mein Leben aufs Spiel setze. Solch eine Unruhe habe ich noch nie gehabt. Mittlerweile ist es schon Donnerstag und ich habe mich nach langen Überlegungen dazu entschieden, den Plan der anonymen Person zu folgen. Morgen wird Lucia endlich die Strafe bekommen, die sie verdient hat. Als ich am Freitag nach meiner Arbeit als Kellnerin in einem Restaurant nach Hause komme, ist es bereits abends. Zügig ziehe ich etwas schwarzes an und gehe den Plan noch einmal durch.

Um 22.20 Uhr in ihr Haus unbemerkt eintreten, eine Schaufel oder ähnlichen schweren Gegenstand suchen und anschließend Lucia. Das wär´s. Tot. Aus. Ende. Wenn das doch nur so einfach wäre. Verzweifelt blicke ich in den Spiegel und sehe eine komplett schwarz bekleidete Frau, die für ihren Bruder alles tun würde. Ich wische mir eine kleine Träne aus dem Gesicht und werfe einen letzten Blick auf die knallbunte Uhr, die an der Wand hängt und farblich zu der Lavalampe auf dem Tisch daneben passt. Dann verlasse ich die Wohnung und mache mich auf den Weg zu Lucias Haus. Angekommen erwartet mich ein luxuriöses weißes Haus, umrahmt von einem märchenhaften Garten. War ja klar, ihre Eltern führen eine erfolgreiche Firma. Meine Casio-Armbanduhr sagt 22.20 Uhr und ich krame den Schlüssel zu ihrem Haus aus meiner Jackentasche. Als ich die Haustür so leise wie möglich aufschließe, werde ich von der prunkvollen Innengestaltung überwältigt. „Ich darf mich nicht zu sehr ablenken“, sage ich mir selbst diszipliniert, während ich in den Garten gehe um eine Schaufel oder ähnliches zu suchen. Ich finde einen Spaten und begebe mich wieder zufrieden ins Haus. Da sie wahrscheinlich in ihrem Zimmer ist, schleiche ich die Treppe hoch und bleibe nervös vor ihrer Tür stehen. Nein, Emilia, das kannst du nicht machen! Und doch lege ich meine Hand so vorsichtig, wie es nur möglich ist, auf die Türklinke. Plötzlich höre ich ein dumpfes Poltern. Mist! Was war das? Panisch sehe ich mich um und als da nichts war, laufe ich aufgeregt die Treppe runter. Es kam nicht aus dem Schlafzimmer, also muss sie irgendwo anders sein. Oder noch schlimmer, es ist jemand anderes im Haus. Die Haushälterin vielleicht?

Mir bleibt keine Zeit für Spekulationen, ich muss hier weg. Oder mich verstecken. Ich rase leise über den großen Flur, um nach einer Versteckmöglichkeit zu suchen. Ich werde mich jetzt sicherlich nicht davon abbringen lassen, dieses Biest zu töten.

Auf einmal höre ich aus einem der Gänge ein Geräusch. Schritte. Jedoch sind es leise Schritte, so als würde jemand versuchen, nicht bemerkt zu werden. Nun mache ich mir wirklich Sorgen… Wer ist das bloß? Ich verstecke mich hinter einen Schrank, dessen Rücken frei im Raum steht. Wahrlich nicht das beste Versteck. Ich hoffe nur, dass Lucia nicht von hinten ankommt. Seufzend lehne ich den Spaten an die Wand uns schrecke kurz auf, weil dies ein klingendes Geräusch hinterlässt. Hoffentlich hat das niemand mitbekommen! Doch für Hoffnungen ist es jetzt schon zu spät, denn ich spüre, wie jemand hinter mir steht. Gerade will ich mich umdrehen, doch da merke ich schon einen kalten Stich in meinem Rücken. Ich sehe mein Leben endgültig an mir vorbei ziehen und die letzte Frage, die ich mir stelle, ist: „Wieso habe ich mich nur darauf eingelassen?“

 

Juliana Drynda

 

 

 

Nothing kills you like your past

- Sicht Rose

Ich schaute hinaus auf die Straße, wo ein roter BMW Z3 Roadster vorbeifuhr. Ich seufzte, aus Enttäuschung, aus Wut, aber auch aus Freude an alte Erinnerungen. Bei roten Autos denke ich schließlich immer an meinen Vater. Meinen Vater den ich seit genau 8 Monaten und 13 Tagen nicht gesehen hatte und auch nie wieder sehen würde. Das selbe galt für meine Mutter. Eine Träne rollte über meine Wange und ich biss mir auf die Unterlippe, um zu verhindern, dass weitere Tränen meine Wangen hinunterlaufen würden. Ich schaute hinunter, sah meinen Block verschwommen vor mir liegen. Die letzte Träne rollte hinab bis ich sie weg wusch und meinen Stift in die Hand nahm. Ich tätigte einen weiteren Strich auf meiner Liste. Genau 371 Tage saß ich nun hier drin. 371 Tage hatte ich immer das Gleiche gesehen, 371 Tage nur weiße Kittel getragen und 371 Tage nur übelst ekelhaftes Essen gegessen. Es war so viel passiert seitdem ich hier war. Mal abgesehen davon, dass Bryan Adams sein neues Album veröffentlicht hatte, wo er wohl ganz schön schnieke aussehen sollte. Ist das eigentlich Schlimme, dass meine Eltern nicht mehr herkamen. Es war und ist immer noch ein harter Schlag, dass sie durch einen blutigen Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Ich vermisse sie jeden einzelnen Tag. Es fühlt sich an wie eine Wunde, in die immer wieder Salz gestreut wird, eine Wunde, die einfach nicht aufhören will zu bluten. Auch wenn  ich meine Eltern vorher nicht oft gesehen hatte, wusste ich immer, dass jemand hinter mir stand und das ich jemanden hatte, der immer für mich da sein würde. Doch plötzlich war ich allein. Ich fühlte eine unbeschreibliche, schlimme Leere in mir, so als ob etwas unglaublich Wichtiges fehlen würde. Als hätte mir jemand die eine Hälfte meines Herzens genommen. Ich habe nie Geschwister gehabt und seitdem ich in dieser Klapse, auch Psychiatrie genannt, war, hatten mich alle meine Freunde ebenfalls verlassen. Ich sei tierisch verrückt und durchgeknallt, sagten sie. Was kompletter Unsinn war, denn ich hatte nichts getan! Ich war wie jeder andere Mensch und trotzdem war ich hier. Diese Anstalt erinnerte einen an diese Horrorfilme wie „IT“, „Scream“ oder „Dead alive“, alles hier drin war einfach gruselig und abschreckend. Genau „Dead alive“ traf es am besten, denn so fühlte ich mich oder eher gesagt, so fühlte ich mich in jedem Moment in dem ich über mein trauriges Leben nachdachte.

Manchmal glaubte  ich, dass ich nur körperlich am leben war. Ich musste schon so viel Leid ertragen, dass ich innerlich schon lange im Grab lag und das alles nur wegen ihr! Es fühlte sich so an, als hätte sie mir die Sonne in meinem Leben genommen. Seitdem alles nur noch dunkel war und desto mehr Zeit verging, desto mehr Zeit ich hier drin verbrachte, desto dunkler wurde es in meiner Welt. Sie ist an allem Schuld! Ich meine ohne diese „Bratzenprinzessin“ wäre das alles nie passiert. Alles wäre in bester Ordnung gewesen, doch sie musste alles zerstören.

Das erste Mal als ich Lucia sah, schien alles so unscheinbar. Um ehrlich zu sein freute ich mich sogar sie zu sehen, obwohl ich sie nicht mal kannte. Sie zog neu in die Straße, wo meine Eltern und ich wohnten. Ich war 21 Jahre alt und sie 24, dennoch dachte ich, dass wir uns anfreunden könnten. Schließlich ist St. Augustin eine kleine Stadt, im Gegensatz zu anderen Städten in Amerika. Dazu wohnten nicht gerade viele junge Leute in der Straße in der ich lebte. Also freute ich mich über den Einzug Lucias ins Nachbarhaus. Ich hatte endlich jemanden in meinem Alter um mich. Doch mit der Zeit lernte ich ihren Charakter kennen und ihre Interessen. Ich meine eigentlich wusste ich schon ab Tag 1, dass wir nicht die besten Freunde werden würde, denn beim einräumen ihrer Möbel hörte sie Musik von Ace of Base. Und damals war ich eher in meiner Backstreetboys-Fangirl-phase. Aber das war nur der Anfang. Mit der Zeit machte sie sich nicht wirklich beliebter bei mir. Ich weiß nicht, aber irgendwie hatte sie so etwas nervtötendes an sich. Jedes Mal wenn ich ihre Stimme hörte, kam es mir so vor, als ob sie nur so tat, als wäre sie tierisch nett und engagiert und im Endeffekt war das auch nur ihre Masche, um gut anzukommen. Es war mir jedoch immer gleichgültig gewesen, denn ich musste nichts mit ihr unternehmen, wenn ich das nicht wollte. Wir waren schließlich Nachbarn und das war schon schlimm genug. Doch eines Tages brachte sie uns, warum auch immer, ein paar Muffins und da lud meine Mutter sie zum Kaffee trinken ein. Das war der Moment, wo ich sie doch ertragen musste. Es waren einfach die schrecklichsten 2 Stunden meines Lebens. Ich hatte das Gefühl, Lucia sprach wie ein Wasserfall und wollte gar nicht mehr aufhören von ihrem wundervollen Leben zu sprechen. Sie war so eine Angeberin und zugleich so eine Lügnerin, mit dieser falschen netten Art, die sie hatte. Doch ich war wohl die Einzige, die dies bemerkte, denn meine Eltern waren mehr als fasziniert von ihr.

Was mich noch wütender machte, deswegen stand ich auf und ging aus dem Zimmer ohne etwas zu sagen. Ich ging langsam die Treppen hoch, als ich dem Gespräch noch etwas lauschte. Ich hörte die Stimme meiner Mutter, wie sie erklärte, dass ich keine einfache Persönlichkeit hätte und das man sich solche Taten von mir nicht zu Herzen nehmen darf. Lucia zeigte vollstes Verständnis dafür und somit war es mir wieder schnuppe, was meine Mutter erzählte. Plötzlich hörte ich erneut Lucias Stimme, wie sie meine Mutter nach mir ausfragte, was irgendwie beängstigend war. Denn am Ende des Gespräches wusste Lucia was ich für ein Problemkind war und das ich aus verschiedenen Gründen zum Psychiater gehen musste. Ich hatte von Anfang an kein gutes Gefühl dabei, dass sie dies über mich wusste. Ich meine am Ende des Tages lag ich heulend im Bett, ich wusste nicht genau, ob es wegen Lucia war, aber es fühlte sich stark danach an. Irgendwie wurde mir an diesem Abend klar, was für eine perfekte Tochter sie anscheinend war. Ich war hingegen der größte Alptraum für meine Eltern. Und weil ich mich so sehr in dieses Thema hineinsteigerte, saß ich tagelang in meinem Zimmer und hörte den Song „if I don‘t have you“. Naja, danach musste ich jede Woche einmal mehr zu meinen Sitzungen mit diesem Intelligenzallergiker. Ab dem Zeitpunkt hasste ich Lucia so sehr, ich konnte meinen Hass gar nicht in Worte fassen. Es war einfach ein ständiges Wutgefühl in mir. Jedes Mal wenn ich sie durch mein Fenster sah, hatte ich das Gefühl, dass Feuer würde durch meine Adern laufen, so wütend und aufgewühlt war ich. Doch wenn sie mich dann ansah, mit ihrem kalten Blick, den sie nur mir zuwandte, bekam ich Gänsehaut. Ich schätze Gänsehaut vor Angst, denn jedes Mal wenn sie ihr Haus verließ und mich so ansah, hatte ich Angst sie würde zu uns kommen, uns besuchen und meine Eltern wieder über mich ausquetschen oder meinen Eltern einreden ich bräuchte mehr Hilfe etc.. Also schaute ich jedes Mal einfach weg, wenn sie zu mir sah. Doch eines Tages passierte es, meine Eltern waren außer Haus, also tat ich das, was ich tun wollte an diesem Abend. Ich nahm meine Lieblingskassette und packte sie in meinen Kassettenrekorder. Ich fing an Musik auf höchster Lautstärke zu hören. Ich tanzte durch das Haus und sang so laut mit, wie ich nur konnte. Dadurch das ich nur die Musik hörte und keine anderen Geräusche um mich herum, hörte ich das klingeln an der Tür nicht. Ich hörte einfach weiter Musik. Ich ging in die Küche, um mir etwas zu Trinken und ein paar Kekse zu holen. Ich bekam einen Herzinfarkt, als ich Lucia an unserem Küchenfenster klopfen sah.

Mir fiel glatt das Glas aus der Hand und ich starrte sie einfach nur an ohne mich zu bewegen. Sie klopfte erneut und ich rannte ins Wohnzimmer, um die Musik aus zu machen. Als ich zur Haustür gehen wollte, um Lucia die Tür zu öffnen stand sie schon längst in unserem Hausflur. Ich guckte sie verwirrt an und fragte sie mit zitteriger Stimme: „Wie bist du hier rein gekommen?“. Sie lachte nur und rollte dabei ihre Augen: „Oh Rosie Schätzchen, denkst du wirklich, dass deine Mutter dich hier alleine lässt ohne eine Aufsichtsperson oder eine Person, die im Notfall die Schlüssel für das Haus hat?“, sie hielt die Schlüssel hoch und zog ihre rechten Augenbraue hoch. Ich schaute nur zu Boden als meine Augen glasig wurden, bei dem Gedanken, dass mir meine Eltern nicht vertrauten. Sie behandelten mich, wie einen Teenager. Tränen begannen über meine Wangen zu rollen und ich stellte mir die Frage, „Warum vertrauen meine Eltern ihr mehr, warum vertrauen sie ihr mehr als ihrer Tochter..?“. Ich wischte mir meine Tränen weg und schaute auf. Ich sah Lucia mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Ich lief in die Küche und fing an die Scherben vom zerbrochenen Glas aufzuheben. Ich fühlte mich einfach verraten und in diesem Moment so verloren. Ich war tief in meinen Gedanken versunken, als ich mich plötzlich an einer Scherbe schnitt. Ich schaute auf meine blutige Hand, doch störte es mich nicht. Ich hob die Scherben weiter auf. Vielleicht schnitt ich mich noch mehrere Male, doch ich fühlte nichts mehr. Als wäre ich komplett verloren in dieser Welt. Ich hatte das Gefühl, ich gehörte hier nicht her. Ich schmiss die Scherben weg und drehte mich um. Da stand sie nun wieder. Sie blickte mir auf die Hände und wieder in mein Gesicht. Nichts von all dem tat ihr auch nur ansatzweise leid. Ich schaute auf zu ihr und sie kam auf mich zu und sagte, „Oh, dachtest du wirklich so eine Gesichtsgrätsche wie du könnte deine Eltern stolz machen?“. Innerlich wusste ich, dass sie mich nur provozieren wollte, doch ich fragte mich wieso, was hatte ich ihr getan. „Geh einfach raus! Ich brauche deine Hilfe nicht!“, schrie ich ihr entgegen. Sie guckte mich mit so einem mitleidigen Blick an und schüttelt ihren Kopf. Sie kam zu mir und legt ihre Hand auf meine Schulter. „Nein Rose, ich glaube ich kann dir nicht mehr helfen.“, sagte sie in einer ruhigen Stimme. Ich drückte sie weg von mir und bemerkte die Blutflecken an ihrem Shirt. „Lass mich in Ruhe. Ich brauche dich nicht!“, sagte ich zu ihr in einem ernsten Ton. Sie kam wieder näher, Angst baute sich in mir auf, doch gleichzeitig auch Wut, denn sie war der Grund, warum meine Eltern mir nicht mehr vertrauten.

Also schubste ich sie zu Boden, wobei sie mit ihrem Kopf auf die offene Schublade knallte, aus der ich meine Kekse holen wollte. Sie schrie nur auf und ich stand geschockt vor ihr. Ich begann zu zittern, weil ich so überfordert war mit der Situation. Sie setzte sich auf und begann zu weinen. Sie fasste sich an den Hinterkopf und schaute danach auf ihre blutige Hand, was  mich noch mehr schockierte. „Du bist doch komplett gestört!“, schrie sie mir entgegen und rannte aus unserem Haus. Ich lehnte mich an die Küchenplatte und brach zusammen. Ich saß weinend auf dem Boden, zog meine Knie zu meiner Brust und starrte nur auf meine Hände, die ebenfalls noch etwas Blut an sich hatten. Ich schloss meine Augen und das Nächste, was ich hörte war, wie jemand in unser Haus stürmte. Es war meine Mutter, die mit tränenüberströmtem Gesicht zu mir rannte und mich fragte, was ich nur getan hätte. Im nächsten Moment kamen zwei weiß gekleidete Männer hinein, die mich vom Boden hochnahmen und in ein Auto steckten. Ich schrie wahrscheinlich so laut, dass die ganze Nachbarschaft es gehört hatte, doch in diesem Moment war es mir egal. Ich wurde in das Auto gezerrt und meine Vater sagte mir, dass es ihm leid täte, aber er nur das beste für mich wolle. Das Auto fuhr davon und ich sah meinen Eltern nach und hinter ihnen sah ich Lucia aus dem Fenster schauen, dabei winkte sie mir mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Ich begann laut und stark zu weinen, bis ich einen kleinen Stich in meinem Arm fühlte und mir schwarz vor Augen wurde. Als ich aufwachte, sah ich an eine weiße Decke, die Decke, die ab diesem Tag immer das erste war, was ich morgens sah. Nun saß ich seit einem Jahr in dieser Klinik, aber der Tag an dem das passiert war, werde ich niemals vergessen. Es war der Tag, der mein Leben zerstört hatte.

Ich saß, wie jeden Tag, auf meinem Bett und las das Buch „Das also ist mein Leben“. Bis plötzlich die Schwester meine Zimmertür öffnete. Ich guckte sie nur verwirrt an, denn an einem Montag hatte ich eigentlich nie irgendwelche Sitzungen oder andere Termine. Sie kam zu mir und gab mir einen Brief auf dem mein Name stand. Als ich den Brief sah, war ich noch verwirrter als vorher, denn wer zur Hölle würde mir  einen Brief schreiben? Ich bedankte mich, doch da war sie auch schon wieder aus meinem Zimmer. Ich setzte mich auf und betrachtete den Brief. „Rose Walker“  stand vorne in einer schönen Handschrift geschrieben. Ich nahm ihn in die Hand und drehte ihn um. Ich öffnete ihn langsam und zog einen Zettel raus, auf dem stand:

Liebe Rose Walker,

ich habe von Deinen Problemen mit Lucia Anderson in der Vergangenheit gehört. Ich weiß , dass Du nur wegen ihr dort bist, wo Du gerade sitzt. Doch das könnten wir ganz schnell ändern. Denn falls Du Dich auf den folgenden Deal mit mir einlässt wirst Du ganz bald Deine Freischreibung erhalten. Ich frage Dich, ob Du einen Auftragsmord für mich ausführen möchtest. Diesen Freitag um 22:25 Uhr, an Lucia Anderson. Falls ja, bist Du schneller aus der Klinik, als Du gucken kannst. Ich weiß einfach, was Du für einen Hass auf sie hast und um ehrlich zu sein, sind Morde mit Leidenschaft, doch die schönsten. Falls Du Dich auf diesen Deal einlassen willst, lässt Du diesen Brief einfach aus Deinem Fensterspalt fallen, wenn Du den Deal ablehnst, werfe den Brief einfach weg. Dennoch denke ich, dass ich auf Dich zählen kann.

LG Anonym.

PS: Falls Du an dem Deal Interesse hast, dann schau nochmal in den Umschlag, dort hast Du eine kleine Hilfe von mir bekommen.

Ich schaute um mich herum. War das ein schlechter Scherz? Ich meine, wie würde mich jemand komplett Fremdes hier raus bekommen. Ich hielt den Brief in meiner Hand und legte mich hin. Ich schloss meine Augen und dachte nach, darüber wie gerne ich hier eigentlich raus wollte. Also entschloss ich mich dazu es einfach zu tun. Ich meine, was hatte ich schon zu verlieren. Dieser Deal hatte nur Vorteile, wenn er klappen würde. Ich wäre hier raus, ich könnte wieder zu Hause leben und die Person, die ich am meisten hasse wäre tot. Und wenn es nicht klappen würde, dann würde sich nichts ändern. Dann würde ich hier drin sitzen und auf meine Freilassung warten. Also nahm ich den Umschlag und schaute was drin war. Es war ein Schlüssel. Etwa der Haustürschlüssel von Lucia? Wahrscheinlich. Also nahm ich den Schlüssel und stand auf, strich meinen Namen durch, so das man ihn nicht mehr lesen konnte und ließ den Zettelt gefaltet durch meinen kleinen Fensterspalt fallen.

Nur 2 Tage später kam tatsächlich der Arzt in mein Zimmer und unterhielt sich mit mir über meine Freilassung. Ich musste ein paar Papiere unterschreiben und er erklärte mir, wann und wie oft ich meine Tabletten nehmen müsste, die ich nie genommen hatte, aber das musste er nicht erfahren. Ich stimmte ihm einfach zu.  Wir gingen zusammen hinunter zur Anmeldung, eine Frau reichte mir meine Sachen, die Sachen die ich trug, als ich eingeliefert wurde. Ich ging auf die Toilette, um mir mein neon-pinkes Shirt und meinen samt Rock anzuziehen. Ich hing mir meine Tasche um, die ebenfalls dort lag und in der sich die Schlüssel etc. befanden. Im Anschluss spazierte ich hinaus. Ich ging mit einem breiten Lächeln nach Hause. Doch als ich in meiner Straße ankam verging mir das Lächeln. Ich musste zurück an den Tag denken und was jetzt wohl alle Anderen von mir dachten. Also ging ich schnell zu meinem Haus und schloss die Tür auf. Ich atmete die wundervolle Heimluft ein und lächelte etwas. Ich war froh wieder zu Hause zu sein, doch ich wusste es würde niemals so werden wie früher. Jetzt wo meine Eltern nicht mehr da waren. Ich ging etwas durch das Haus und bemerkte, dass sich nicht wirklich viel verändert hatte und irgendwie war ich froh darüber. Ich ging hoch und betrat mein Zimmer. Ich schmiss mich auf mein Bett und guckte an meine Decke. Nie wieder müsste ich an diese ekelhafte weiß-graue Decke in dieser Klapse starren. Ich seufzte und richtete mich wieder auf. Ich schaute aus meinem Fenster und als ich Lucias Haus sah, fiel mir wieder ein, was ich eigentlich zu tun hatte. Von meinem Zimmerfenster aus konnte ich perfekt in Lucias Schlafzimmer schauen, da es auf der gleichen Höhe wie mein Zimmer lag, nämlich im zweiten Stock. Ebenfalls konnte ich ihr Badezimmerfenster im ersten Stock sehen, jedoch hatte dies ein Milchglasfenster, also half mir das nicht wirklich weiter und im Erdgeschoss konnte ich ihren Garten erblicken. Wenn ich mich in der Küche aufhielt konnte ich in ihr Wohnzimmer sehen. Also beobachtete ich sie, was sie die nächsten zwei Tage so machte. Im Endeffekt war ihr Leben, zumindest in diese zwei Tagen, ziemlich langweilig und eintönig. Sie fuhr jeden morgen um 8:00 Uhr los zur Arbeit und kam jeden Tag um 18:00 Uhr zurück. Den Rest des Tages verbrachte sie vor dem Fernseher oder an ihrem Schreibtisch. Also nichts wirklich Aufregendes, was mich irgendwie gewundert hatte, aber okay. Diese zwei Tage vergingen jedoch wie im Flug und langsam machte ich mir Gedanken, wie ich sie umbringen sollte.

Ich meine, wie ich ins Haus kommen würde war klar, ich hatte einen Schlüssel zugeschickt bekommen und man konnte jemanden schließlich mit fast allem irgendwie umbringen. Ich entschied mich für die altmodische und einfachste Art. Ich würde einfach ein Messer nehmen. Ich lief in die Küche und schaute mir unsere Messer an. Als ich das Beste und Schärfste gefunden hatte, legte ich es in eine leere Schublade, machte diese zu und legte mich zu Bett, um für morgen genug Energie zu haben. Also schloss ich meine Augen und schlief mit einem Grinsen im Gesicht ein.

Freitag, 12:13 Uhr. Ich wache auf und blinzel einige Male, um wach zu werden. Ich setze mich auf und denke daran, was ich heute tun würde. Ich stehe auf und laufe ins Bad. Ich putze mir die Zähne und betrachte mich dabei im Spiegel. Ich denke nur, heute ist es so weit. Lucia wird endlich das bekommen, was sie verdient und danach werde ich ein wunderbares Leben ohne sie führen. Ich spucke den Zahnpastaschaum ins Waschbecken und spüle meinen Mund aus. Ich gucke mich nochmals im Spiegel an und grinse. Es ist 12:30 Uhr und ich fange an mir Frühstück zu machen. Im Endeffekt lebe ich den Tag wie jeden anderen. Ich bin bis 20:00 Uhr völlig beschäftigt. Als ich um 20:00 Uhr auf die Küchenuhr schaue, gehe ich hoch in mein Zimmer. Ich frage mich, was wohl ein geeignetes Outfit wäre. Ich entscheide mich für eine schwarze Leggins, einen schwarzen Kapuzenpulli aus Samt und schwarze Boots. Das ist es dann auch schon, ich ziehe mich um und betrachte mich selbst in dem großen Wandspiegel in meinem Zimmer. „Mmh, ganz schön schnieke siehst du aus.“, sage ich zu mir selbst und lache. Mittlerweile ist es 22:15 Uhr und ich mache mich bereit loszulaufen. Bevor ich rausgehe, gehe ich in die Küche und nehme mein Messer aus der leeren Schublade. Ich gucke aus dem Fenster und schaue, ob irgendwer dort lang geht. Fehlanzeige. Das heißt, ich kann los. Ich gucke schnell, ob ich alles habe und nehme zuletzt ihren Haustürschlüsse und meinen eigenen mit. Letzter Check auf die Uhr, es ist 22:23 Uhr. Ich laufe aus meiner Haustür und schließe sie leise hinter mir. Ich gehe auf den Bürgersteig und betrachte Lucias Haus. Oben in ihrem Zimmer brennt Licht, also gehe ich davon aus, dass sie gerade an ihrem Schreibtisch sitzt oder im Bett liegen würde und noch eine kleine Lampe leuchtet, um noch etwas zu lesen. Ich schleiche mich langsam zu ihrer Haustür und stecke den Schlüssel vorsichtig in das Loch. Jackpot! Er passt, ich schließe die Tür  leise auf und schleiche mich ins Haus hinein.

Behutsam schließe ich die Tür hinter mir, ich gehe mit kleinen Schritten in Richtung Treppe nach oben, doch plötzlich höre ich ein leises Tapsen aus der Küche. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Ich gucke verwirrt in Richtung Küche und lausche nochmal. Da ist tatsächlich jemand. Ich gehe davon aus das es Lucia ist, wahrscheinlich holt sie sich gerade etwas zu trinken, aber ob ich sie in ihrem Zimmer umbringen würde oder in der Küche war mir egal. Also schleiche ich mich langsam an sie ran. Kurz bevor ich die Küche betreten will betrachtete ich die Person etwas näher. Das war nicht Lucia. Diese Person hat schwarze Haare und Lucia hat blonde.Ich wurde etwas nervös und panisch. Ich atme leise ein. Ich muss nachdenken und die beste Lösung, die mir einfiel war es die Person einfach auch umzubringen. Ich meine es soll keine Zeugen geben und ob ich ein oder zwei Personen umbringe macht dann schließlich auch keinen Unterschied mehr. Also halte ich mein Messer bereit und gehe in leisen Schritten zu der unbekannten Person. Mit der linken Hand halte ich der Person  den Mund zu und mit der rechten stoße ich ihr mein Messer in den Rücken. Sie fällt zu Boden und ich warte bis ihr Puls nicht mehr schlägt. Ich ziehe mit aller Kraft mein Messer aus ihrem Rücken und stehe auf. Ich gucke sie mir an und grinse. Ich hatte es mir viel schwieriger und schlimmer vorgestellt. Jetzt wusste ich, dass es leicht ist und schlimm ist es auch nicht wirklich. Also gehe ich wieder zur Treppe zurück. Ich fange an die Treppen in langsamen und behutsamen Schritten hinauf zu gehen, damit man mich bloß nicht hören würde. Ich komme in der ersten Etage an und will mich gerade der Treppe, die in die zweite Etage führt, zuwenden, doch plötzlich spüre ich jemanden hinter mir. Ich fühle ein kaltes, scharfes Messer an meiner Kehle vorbeiziehen und spüre, wie das Blut in meine Luftröhre fließt und mir die Luft wegbleibt. Ich falle zu Boden, mein Messer fällt neben mir herab. Ich schließe meine Augen und alles wird schwarz. Ich sehe mein Leben an meinem inneren Augen vorbeiziehen und die letzte Frage die ich mir stelle, wieso habe ich das getan?

 

Lina Kautz




Nothing kills you like your past

- Sicht Emma

Wenn ich hier so im Büro sitze, durch die leere Firma gehe, denke ich immer an die alten Zeiten, an Erinnerungen die ich eigentlich vergessen möchte, es aber nicht gelingt. Ich sehe Lucia und mich immer noch durch die Firma laufen. Obwohl der gesamte Boden mit bunten Oberteilen bedeckt ist und rechts und links Windbreaker hängen, sind wir einfach weitergelaufen. Es war uns egal und wir störten uns nicht daran. Wir waren wie die drei Muskeltiere, allerdings waren wir nur zu zweit. Wir brauchten niemanden. Leider hat alles Gute in meinem Leben ein Ende, wie diese außergewöhnliche Freundschaft. Wir haben alles zusammen gemacht, jedes Geheimnis geteilt, EINFACH ALLES! Bis zu diesem einem Tag. Wir waren etwa sieben Jahre alt. Es war ein ganz normaler Tag. Was wir nicht ahnten war, dass dieser Tag unser ganzes Leben verändern würde. Wir hatten unsere neuen Kleider an, die wir mit unseren Müttern gekauft hatten. Sie hatte sich ein Samtkleid in blau gekauft und ich das gleiche, nur in rosa. Wir waren ganz stolz und liefen mit den Kleidern durch die Firma und präsentierten sie den Mitarbeitern meiner Eltern. Doch irgendetwas war anders als sonst, das hatte ich gespürt. Leider bestätigten sich meine Befürchtungen, als wir nämlich an einem Raum vorbei liefen, Lucia plötzlich stehen blieb und ich daraufhin in sie hineinrannte, wollte ich sie eigentlich fragen wieso sie stehen geblieben ist. Doch bevor ich nur ein Wort sagen konnte, hielt sie mir den Mund zu und zeigte in den großen Besprechungsraum, in dem unserer beider Eltern an einem alten Holztisch saßen und sich lautstark unterhielten, dass ich mich erschreckte und zusammenzuckte. Ich versuchte herausfinden worum es ging, aber ich verstand nicht viel, von dem was sie sagten. Da Lucia und ich aber immer alles wissen wollten, versuchten wir noch weiter an das Geschehen zu gelangen. Leider blieben wir nicht unentdeckt. Als sie uns entdeckten, sagte Lucias Mutter nur in einem groben Ton, dass es jetzt wohl besser wäre, wenn wir jetzt gehen würden. Sie nahm Lucias Hand und ging mit ihrem Mann und Lucia aus dem Raum. Ich rannte Lucia hinterher. Sie drehte sich noch einmal kurz zu mir um und sagte: ,, Wir sehen uns bald wieder, versprochen!“  Eigentlich dachte ich immer, versprechen müsste man halten und nicht brechen. Doch in diesem Fall war es wohl anders. Das waren die letzten Worte, die sie zu mir sagte.

Ich hatte Lucia nach der Auseinandersetzung unserer Eltern fünf Wochen lang nicht mehr gesehen, geschweige denn etwas von ihr gehört, es hatte mir das Herz zerrissen, das ich nicht mehr mit meiner besten Freundin, meiner “Schwester“ reden konnte. Stattdessen saß ich alleine in meinem Zimmer und wartete darauf, dass Lucia vor meiner Tür stehen würde und wieder mit mir spielen, oder wieder mit mir durch die Firma laufen würde. Obwohl ich ahnte, dass es nie passieren würde, hoffte ich es vom ganzen Herzen. Aber ein Gedanke ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Was war eigentlich passiert? Wieso durfte ich Lucia nicht mehr sehen? Ich hatte beschlossen meine Eltern darauf anzusprechen. Deshalb ging ich zu Ihnen um nach einer Erklärung zu fragen. Doch wie es der Zufall so wollte, bekam ich gerade ein Gespräch zwischen meinen Eltern mit. Sie unterhielten sich über unsere Firma, soweit ich das mitbekam. Da unsere Firma ein Familienunternehmen war und ich dieses später einmal übernehmen sollte, musste ich doch wissen worum es ging oder nicht? Also setze ich mich auf die Treppe und lauschte. Ich hörte eine Weile zu. Es war eigentlich nicht so spannend bis meine Mutter sagte, dass unsere Firma Geldprobleme habe und fast vor dem Bankrott stehen würde, da Lucias Eltern uns unsere Kunden abgeworben haben. Ich hatte meine Eltern noch nie so verzweifelt gesehen! Die Jahre vergingen. Inzwischen war ich 25 Jahre alt. Ich hatte die Firma übernommen, meine Eltern hatte ich verloren und ich hatte Lucia seit 18 Jahren nicht mehr gesehen. Ich hatte mich inzwischen daran gewöhnt, dass sie nicht mehr zu meinem Leben gehörte. Eigentlich schade, sie war eine echt gute Freundin. Das Einzige was ich einmal von ihr mitbekam war, dass sie jetzt auch die Firma ihrer Eltern übernommen hatte und diese wohl sehr erfolgreich und bekannt war. Sie hatte Geld und im Gegensatz zu mir, ertrank sie nicht in den ganzen Rechnungen. Ich habe echt keine Ahnung mehr, was ich machen sollte. Ich bin einfach nur überfordert und das einzige was ich verspüre ist Verzweiflung und Eifersucht, ich bin einfach nur überanstrengt. Nach diesem Gedanken habe ich beschlossen mir mal ein paar Tage frei zu nehmen und richtig zu feiern, denn  nachdem meine Eltern verstorben waren zog ich mich nur zurück und bin nicht mehr feiern gewesen. Also packte ich meine Tasche und machte mich auf den Weg in meine Wohnung. Nachdem ich die Firma übernommen hatte und den ganzen Stress mit der Firma und meinen Eltern, musste ich das Haus verkaufen und konnte mir nichts anderes mehr leisten außer eine kleine Wohnung für mich.

Ich zog mir ein schwarzes Glitzerkleid an, schminkte mich, machte mir meine Haare, zog mir meine hohen Schuhe an und ging los. Ich freute mich schon richtig wieder feiern zu gehen. Ich war so in Gedanken, dass ich nicht bemerkte, wie ich in eine Frau hineinrannte. Ich entschuldigte mich natürlich, bis ich bemerkte wer diese Person war. Es war Lucia, richtig aufgetakelt, mit rotem Lippenstift. Ich verspürte auf einmal so eine Wut, dass ich sie einfach nur noch anschreien konnte. Ich fragte sie was ihre Eltern sich eigentlich eingebildet hatten, wieso sie uns unsere Kunden weggenommen hatten und wieso sie jetzt noch so ein hinterfotziges Geschäft weiterführen konnte und dass ich sowas nie machen würde, da wir doch beste Freunde gewesen sind. Bevor sie nur ein Wort dazu sagen konnte drehte ich mich um und ging schnellen Schrittes davon. Ich musste es tun, da ich nicht wusste, ob ich mich sonst noch unter Kontrolle gehalten hätte. Ich hatte danach auch keine Lust mehr zu feiern. Ich wollte nur noch nach Hause. Dies tat ich auch. Als ich zuhause ankam, legte ich mich nur noch auf Bett und fing an zu weinen. Wieso habe ich immer nur Pech? Wieso muss es immer mich treffen? Ich habe meine beste Freundin verloren. Das wurde mir erst jetzt richtig klar. Ich hatte es noch nie so richtig realisiert. Ich war alleine, ich hatte niemanden. Ich wette, ich sterbe später alleine mit meinen 12 Katzen und mit dem Gedanken, dass sie alles hat, EINFACH ALLES! Die nächsten zwei Tage lag ich alleine in meiner Decke eingerollt in meinem Bett und dachte über mein Leben nach. Als ich dann den nächsten Morgen wieder in die Firma ging schien alles so wie immer. Die nächsten drei Jahre waren so wie immer. Rechnungen, Schulden, Probleme. Doch als ich eines Tages die Tür meines Büros aufschloss, Mich auf den Schreibtischstuhl schmiss, war alles gut bis ich auf einmal einen merkwürdigen Brief auf meinem Tisch bemerkte. Wie kam der dahin? Keiner außer mir hatte einen Schlüssel. Auf dem Brief stand nur mein Name, also nahm ich ihn und öffnete ihn behutsam. Darin befanden sich ein Zettel und ein Schlüssel. Wofür war der Schlüssel? Ich klappte den Zettel auf und las:

,, Hallo, du weißt zwar nicht wer ich bin, aber dafür weiß ich ganz genau wer du bist. Ich hatte dir mal vor lange Zeit Anonym eine hohe Summe Geld gegeben, wofür ich nur eine Sache verlangte. Eine Gegenleistung wenn die Zeit gekommen ist und jetzt ist sie da.

Wenn du ihn nicht ausführst, wird das schwerwiegende Konsequenzen für dich haben. Also du kennst bestimmt Lucia. Sie war eine alte Freundin von dir, wegen der du jetzt Probleme hast und glaube mir, mir geht es genauso. Deshalb möchte ich, dass du sie für uns umbringst. Damit kannst du deiner Firma helfen, mir und noch anderen, denen sie Leid angetan hat. Der Schlüssel ist für ihr Haus, in welches du Freitag um 22:30 eintreten und es zu Ende bringen wirst. Ich vertraue auf dich und hoffe, dass du meiner Anweisung nachgehen wirst. Wenn nicht weißt du was dir blüht. Ihre genaue Adresse ist 41. St. George Street, St.Augustine, 32084 Florida.‘‘

Ich war schockiert, als ich denn Brief las. Ich soll Lucia umbringen? Das kann ich doch nicht machen, oder vielleicht doch? Ihre Familie hat meiner schon viel Leid angetan und wenn sie nicht mehr leben würde, wäre meine Firma gerettet. Wenn sie nicht stirbt, was passiert dann wohl mit mir? Lieber bringe ich sie um und bleibe dafür am Leben. Als nächstes schaute ich in meinem Kalender nach wie viele Tage ich noch hatte. Heute war Dienstag, was heißen würde, dass ich nur noch ungefähr drei Tage hatte. Drei Tage, nur drei Tage. Das ist viel zu wenig Zeit. Als ich Zuhause ankam, überlegte ich zunächst wie ich es am besten anstellen konnte. Die erste Idee, die mir in den Sinn kam war das Messer, weshalb ich in die Küche ging, um nach einem Messer zu suchen, welches scharf ist aber welches man gleichzeitig auch gut in jede beliebige Jackentasche tun kann. Ich wurde schnell fündig. Jetzt fehlte mir nur noch Kleidung in dem mich keiner so schnell erkennen würde. Also ging ich zu meinem Kleiderschrank um danach zu suchen. Ich öffnete die Tür meines Kleiderschranks. Das erste was mir ins Auge fiel war eine schwarze Hose mit einem schwarzen Pullover. Somit hatte ich jetzt das Wichtigste geklärt. Die Tage vergingen wie im Fluge, inzwischen war es Freitagnachmittag. Ich zog mir meine Sachen an und machte mich auf den Weg zu Lucia. Als ich in ihre Straße einbog hatte ich schon echt Schuldgefühle, was ich überhaupt hier machte. So wie eine Massenmörderin in schwarzer Kleidung durch die Straßen zu geistern um auf das nächste Opfer zu warten.

Als ich dann vor ihrer Tür stand und auf die Uhr guckte war es genau 22:29 Uhr. Ich holte den Schlüssel und das Messer aus meiner Jackentasche und ging zur Tür und schloss sie langsam auf. Das Messer hatte ich dann schon gezückt und griffbereit in meiner Hand als ich das Haus betrat. Im Haus war es mucks Mäuschen still, als ich plötzlich über mir ein Geräusch hörte. Ich schaute mich um, um nach einer Treppe zu suchen die nach oben führte. Als ich sie fand schritt ich langsam nach oben, bis ich auf der nächsten Ebene stand, wo ich mich umschaute. Ich erschreckte mich ein wenig als ich eine Person sah die mit dem Rücken zu mir stand. Ist das etwa Lucia? Da es schon dunkel war konnte man keinen so richtig erkennen. Es musste Lucia sein, wer sollte es sonst sein, vielleicht Verwandte? Es durfte keine Zeugen geben, weshalb ich nicht so lange überlegte und mich anschlich, die Person an den Haaren packte und ihr die Kehle durchschnitt. Kurz und schmerzlos. Ich war gerade ziemlich überfordert mit der Situation. Vor mir lag eine tote Person, die ich umgebracht hatte. Da ich nicht wusste ob ich Lucia umgebracht hatte oder nicht doch die falsche Person, entschloss ich mich dazu noch einmal das ganze Haus zu durchsuchen, um auch wirklich keine Zeugen oder so zurückgelassen zu haben. Die erste Etage hatte ich abgesucht, aber keine andere Person mehr entdeckt. Daraufhin ging ich in die zweite Etage und betrat denn ersten Raum. Es war dunkel, doch ich sah die Umrisse von einem Schaukelstuhl der langsam hin und her bewegte. Wer saß das wohl drauf? Lucia? Ich ging langsam in die Richtung des Schaukelstuhls. Das Messer tropfte und hinterließ hinter mir eine lange Blutspur. Plötzlich hörte ich ein knall und ein paar Sekunde später spürte ich ein stechen in meiner Brust. Ich fiel zu Boden und konnte mich nicht mehr regen. Ich spürte wie das Blut aus meinem Körper strömte und mich verließ. Auf einmal wurde ich Ohnmächtig. Ich sehe mein Leben am meinem inneren Auge vorbeiziehen und die letzte Frage, die ich mir stellte war: Wieso habe ich das getan?

 

Johanna von Halen




Nothing kills you like your past

- Sicht Carla

Ich höre immer noch das Kratzen des Autodaches, welches über den Boden schlittert, ich spüre immer noch meine Schläfe, die gegen die Scheibe schlägt und die Splitter, welche in mein Gesicht.Es ist heute genau 6 Jahre her, dass ich Lucia kennenlernte. Ich war eines Sonnabends Nachts alleine unterwegs, es war gegen 1 Uhr in der Früh, als ich alleine auf dem Weg nach Hause war. Die Fete, die ich besuchte war übelst langweilig, die Leute alle knorke, aber schon nach zwei Drinks knolle. Ein Mädchen, auch hakke, rannte hinter mir her und rief mir zu, dass ich warten sollte. Als sie dann vor mir stand, erzählte sie mir, dass sie  auf der Fete eine alte Freundin getroffen hatte, mit der sie sich dann schlimm stritt und sich daraufhin voll laufen ließ. Da sie so blau war, bot ich ihr an, sie nach Hause zu bringen. Und gab ihr, als wir vor ihrer Haustür standen, meine Festnetznummer, falls noch etwas seien sollte. Am nächsten Morgen erhielt ich einen Anruf, indem sie sich für alles bedankte und entschuldigte, sie wollte sich auf einen Kaffee treffen. Eigentlich hatte ich keine Lust, sagte aber zu, da sie so schien, als bräuchte sie dringend jemanden zum reden. Bei dem Treffen verstanden wir uns blendend, sie erzählte mir viel über sich und auch über die Freundin, mit der sie den Tag zuvor gestritten hatte. Wir trafen uns in den zwei darauf folgenden Jahren immer öfter, aber immer öfter gingen wir auch feiern. Lucia, die ihre Grenzen offensichtlich nicht abschätzen konnte, trank immer bis zum erbrechen. Woraufhin ich sie immer Heim bringen musste. Meine Eltern befürworteten dieses ständige feiern  nicht und wandten sich immer weiter von mir ab, das war mir Lucia aber wert und ich war mir mehr als sicher, dass wir für immer ein Herz und eine Seele sein würden, wie naiv von mir. So kam es, dass Lucia unbedingt Party machen wollte und wie dumm ich eben war, habe ich ihr direkt zugesagt. Und wie immer trank sie, tanzte und hatte Spaß, im Gegensatz zu mir, ich durfte nicht trinken, da ich Lucia und mich noch nach Hause fahren musste, tanzen war außer im betrunkenen Zustand noch nie meins und ich stand nur in der Ecke, wie bestellt und nicht abgeholt. Aber als Lucia dann kaum noch richtig laufen konnte, ging es endlich Heim. Ich platzierte sie auf den Beifahrersitz und setzte mich hinters Lenkrad, sie schlief direkt ein und ich war beruhigt, da sie so unproblematisch war, doch gerade als ich auf die Autobahn auffuhr, schreckte sie hoch und griff in das Lenkrad. Wir rasten direkt in ein Auto der anderen Fahrbahn, das Auto machte mehrere Umdrehungen, rutschte mehrere Meter über den Boden und in ein anderes Auto, welches mich daraufhin fast zerquetschte. Wie auch immer sie das schaffte, sie kam, bis auf einen gebrochenen Arm und ein paar Schrammen,  unbeschadet davon. Ich aber hatte, laut den Ärzten, ein Schädelhirntrauma, lag mehrere Wochen auf der Intensivstation und danach noch weitere Wochen auf der normalen Station. Meine Eltern kriegten davon gar nichts mit, da ich sie als Notfallkontakte einige Wochen vorher entfernt habe und stattdessen durch Lucia ersetzt habe. Lucia lag ungefähr eine Woche im Krankenhaus, ihr ging es schnell wieder gut, das erfuhr ich später durch andere Menschen. Wie dumm von mir zu denken, dass sie, in der ganzen Zeit, auch nur einmal vorbei kommt, sich um mich kümmert, anruft oder einfach nur entschuldigt. Es kam nichts von ihr, nicht mal ein Anruf oder etwas der Gleichen, so war auch der Tag des Unfalls der letzte Tag an dem wir Kontakt hatten. Anfangs machte ich mir Vorwürfe, dass ich nicht hätte fahren dürfen, ich mich nicht bei ihr gemeldet habe und der ganze Unfall meine Schuld war. Die Ärzte meinten Psychosen können eine Folge von dem Schädelhirntrauma sein, was ein Grund sein könnte, dass ich mir die ganze Schuld gab. Aber nach ein paar Sitzungen beim Seelenklempner war alles wieder paletti. Mit der Zeit wurde mir bewusst, dass nichts von alledem meine Schuld war, ich wollte eine gute Freundin sein und tat alles für Lucia, wohin gegen sie mich nur für ihre Zwecke brauchte. Ich war immer für sie da, aber sie hat mir nie etwas zurückgegeben. Und das wurde mir ein Jahr nach dem Krankenhaus erst bewusst. Ich hätte alles für sie aufgegeben und sie besuchte mich nicht einmal als ich, wegen ihr, im Krankenhaus lag. Ich brauchte zwei Jahre voller Feten, Trinken, Freundschaft und Glück, als auch ein Jahr voller Besuche bei Ärzten und Psychologen, Schmerzen, Leiden, Einsamkeit, Unsicherheiten aber zum Ende am meisten Hass, bis ich feststellte, was Lucia für ein egoistischer Mensch ist. Aber scheinbar war ich nicht der einzige Mensch, dem Lucia etwas vergleichbares angetan hatte. Und so lernte ich Emma, Emilia und Rose kennen. Als mir der Arzt, wegen des Schädelhirntraumas, Bettruhe verschrieben hatte, verbrachte ich viel Zeit Leute zu suchen, die wegen Lucia ein Problem haben, bei dem ich ihnen helfen konnte.

So könnte ich für meinen weiteren Plan einen Gefallen von ihnen einfordern und sie würden es nicht mal merken, da sie auch so bereit wären es zu tun, aber nie den Mut hätten die Tat wirklich durch zu ziehen. Meine erste Gehilfin sollte Emilia sein. Ihr Bruder war mit Lucia zusammen, als sich Lucia dann aber von ihm trennte, fiel er in eine so krasse Depression, dass er sich selbst umbrachte. Woher ich das weiß? Ich sah eine Todesanzeige in der Zeitung, suchte den Namen daraufhin im Telefonbuch und habe angerufen, ich tat als sei ich eine alte Freundin von ihm und die Mutter erzählte mir alles, die Mutter war so eine Tratschtante, dass es nicht schwer war Informationen über Emilia heraus zu finden. Also schrieb ich ihr am nächsten Tag einen Brief und leichter als gedacht fingen wir eine Brieffreundschaft an. Sie erzählte mir viel über sich als Person, über ihre Familie, über ihren Bruder und ihre Sorgen, aber am interessantesten waren die Sachen, die sie über Lucia erzählte. Ich merkte, was für einen Groll sie Lucia gegenüber hegte, für mein Vorhaben perfekt. Sie vertraute sich mir schnell an und ich musste mir keine Mühe machen, ihr Vertrauen zu erlangen. Ich konnte ihr gut durch diese schlimme Zeit helfen, sie bedankte sich oft bei mir und fragte oft wie es mir geht, oder etwas im generellen über mich, diesen Fragen konnte ich aber immer geschickt ausweichen. Was hätte ich auch sagen sollen, Lucia hat mein Leben zerstört, nur weil ich hilfsbereit und naiv war. Und ich brauchte Emilia, weil sie kaputt war, außerdem wollte sie, genau wie ich, Rache an Lucia nehmen.

Dann war da Rose, ihr zu helfen war am kompliziertesten, aber ich habe meine Kontakte. Sie war für eine lange Zeit Lucias Nachbarin, ich muss zugeben, sie war ein bisschen verrückt. Letztendlich veranlasste Lucia, dass sie in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde, aus meiner Sicht, war das lange noch nicht nötig und sehr übertrieben von Lucia. Ich stand neben Lucia, als sie belustigt aus dem Fenster schaute und dabei zusah wie Rose in das Auto gezerrt wurde, was sie in die Klapse bringen sollte. So war es für mich nicht schwer ihren Namen, oder andere für mich wichtige Informationen, herauszufinden. Eine alte Freundin arbeitete glücklicher Weise in dieser Psychiatrie, ich musste mich zwar mehrere Monate lang bemühen sie zu überreden, dass sie Rose entlässt, aber nach zwei Monaten und ungefähr tausend Euro, hat sie sich erbarmt. Rose erhielt, als Bedingung für ihre Entlassung, einen Brief von mir, welchen die anderen erst Monate nachdem ich ihnen half erhielten. Wie erwartet zögerte sie keine Sekunde und stimmte den Entlassungsbedingungen zu.     

Ein paar Monate zuvor half ich einem Mädchen namens Emma aus der Patsche, zumindest vorerst. Über sie etwas herauszufinden war ein Klacks. Sie war die Kindheitsfreundin von Lucia, die mit der sie sich, an dem Abend unseres Kennenlernens, gestritten hatte. Da mir Lucia bereits bei unserem ersten Treffen viel von Emma erzähle, wusste ich das Wichtigste schon und alles andere konnte man auch leicht finden, da ihre Eltern mal eine Firma besaßen. Und das ist der Punkt, die Firma der Eltern. Lucias Eltern und Emmas Eltern hatten jeweils eine Firma, die in direkter Konkurrenz zur anderen stand. Lucia und Emma wurden in den Streit hineingezogen und der Kontakt brach ab, beide übernahmen später die Firmen der Eltern, da Lucias Firma aber um einiges populärer war, konnte Emma ihren Neid nur noch schwer unterdrücken. Hinzu kam, dass Emma fast insolvent ging, daraufhin lieh ich ihr anonym eine Summe von ungefähr 22.000 Euro. Das Geld half zwar vorerst, brachte aber nicht lange etwas. So schuldete sie mir einen Gefallen, welchen ich auch bald einlösen wollte. Um mein Gefallen einzufordern sendete ich an alle drei einen anonymen Brief, inklusive dem Schlüssel zu Lucias Haus, es stand drin wie ich ihnen geholfen habe, dass konnten sie ja vorher nicht wissen, da alles anonym war, als auch, dass mein Gefallen ein Auftragsmord an Lucia Anderson war. Er sollte kommenden Freitag stattfinden. Ich verlasse mich aber nicht auf eine einzige Person, daher hatte Emilia ihre Chance um 22:20 Uhr, Rose ihre um 22:25 Uhr und Emma war um 22:30 Uhr an der Reihe. Sie wussten aber nichts voneinander. Um sicherzugehen, dass eine von ihnen Lucia auch wirklich töten wird, werde ich das Haus um 22:40 betreten. Sie dürfen sich ihre Tatwaffe selbst aussuchen, aber ich werde eine Pistole benutzen.Nun war es so weit, es war 22:15 Uhr an dem Freitagabend und ich sollte endlich meine langersehnte Rache bekommen. Ich versteckte mich, um zu gucken ob alle auch wirklich auftauchten. Siehe da pünktlich wie ein Uhrwerk stand Emilia um 22:20 Uhr vor Lucias Haus und öffnete die Tür, das gleiche dann auch um 22:25 Uhr mit Rose und um 22:30 Uhr mit Emma. Was mir allerdings ein wenig zu bedenken gab, war das niemand in der ganzen Zeit das Haus verließ, oder ich habe die Person einfach nicht gesehen, ja bestimmt nur das. Gegen 22:40 Uhr entschied ich mich ziemlich zögerlich Lucias Heim zu betreten. Ich schloss die Haustür auf und schaute mich kurz um, alles ruhig. Von oben hörte ich dann aber ein beunruhigendes Geräusch.

Also entschied ich mich in die erste Etage zu gehen, oben angekommen lag direkt vor meinen Füßen eine Leiche, aber wie ich mit Erschrecken feststellte war das gar nicht Lucia, warte wer war es dann? Mit meiner Fußspitze rollte ich die Leiche auf den Rücken, sodass ich ihr Gesicht sehen konnte, es war Rose, tausend Euro und zwei Monate überreden für nichts, so ein Mist. Naja, kann man jetzt auch nichts mehr dran ändern, selbst Schuld, wieso habe ich auch einer aus der Klapse vertraut. Aber dann bemerkte ich eine Blutspur, sie führte in die 2. Etage, welche ich dann auch betrat. Ich hörte wieder ein Geräusch aus einem Zimmer erste Tür links von mir. Die Tür stand offen und ich lukte in das Zimmer, mit dem Rücken zu mir stand eine Frau, blonde Haare und die Silhouette wie Lucia. Ohne zu zögern zog ich meine Pistole und schoss. Für den Moment fühlte ich mich erlöst, bis ich merkte, dass die Person, welche ich soeben erschossen habe, nicht Lucia war, sondern Emma. Für Emma habe ich 22.000 Euro hingeblättert, für nichts und wieder nicht. Jetzt auch egal, ich will nur noch Lucia finden und endgültig umbringen. In diesem Zimmer stand ein Schaukelstuhl, ich hörte ihn knartschen. Hastig drehte ich mich um und noch bevor ich den Schlag auf meinen Hinterkopf überhaupt merkte und mir schwarz vor Augen wurde, erkannte ich das Gesicht von Lucia direkt vor mir, dieser Hass der mich erfüllte war so unerträglich, dass der Schlag auf den Hinterkopf eine Erlösung war. Mir war klar, dass eine von uns sterben musste, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass ich es sein werde.

Caja Bogateck

Geschichte von Lina, Caja, Johanna und Juliana